Bei Mediation liegt der Fokus darauf, Menschen aus ihrer Stagnation in die Handlungsfähigkeit zu bringen. Gleichzeitig treten wichtige Nebeneffekte auf: die Parteien bewältigen die Vergangenheit, sie gewinnen Klarheit, sie lernen, sich präziser auszudrücken und kompetent Differenzen auszuräumen. Insgesamt legen sie Belastendes ab und gewinnen Leichtigkeit, Zuversicht, und Selbstvertrauen. Bei so vielen Vorteilen muss man Mediationen einfach lieben!
Bei Mediationen gelten klare Kommunikationsregeln
„Mit Wattebäuschchen werfen und beschönigen hilft gar nichts!“ Diesem Satz eines Medianten stimme ich voll und ganz zu. Viele glauben, der Zweck einer Mediation bestünde im Beschwichtigen und Herstellen von Harmonie um jeden Preis. Doch das trifft in keinster Weise zu. Bei diesem Verfahren werden Probleme, Emotionen und Bedürfnisse klar benannt, doch ohne den Anderen zu kränken oder abzuwerten. Auch verletzende Kommentare und Gesten sind tabu. Nur wenn sich die Parteien sicher sind, dass sie offen sprechen können, d.h. angstfrei mit der Wahrheit herausrücken können, hat die Mediation Aussicht auf Erfolg.
Wenn ich das und die Kommunikationsregeln in der ersten Sitzung erkläre, hellen sich die Mienen sofort auf. Erleichterung und etwas Zuversicht schwingen durch den Raum. Eine Zuversicht, die auch mich beflügelt. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, heißt es völlig zu Recht.
Die Parteien gewinnen bei Mediationen Klarheit
Zur ersten Sitzung erscheinen die Parteien üblicherweise etwas angespannt. Sie sind auch frustriert, weil sie sich immer wieder an denselben Stellen ineinander verhakten und zu keiner Lösung kamen. Zu Anfang äußern die Parteien einen Wust an Themen und Vorwürfen, die wir zunächst einfach nur sammeln. Dann untersuchen wir, woran sich der Streit entzündet. Und was ist der Anlass und was die Ursache dafür?
Zudem setzen sich die Parteien nicht immer über das wirkliche Thema auseinander, der Knackpunkt kann durchaus woanders liegen. Oft genug erlebe ich, dass Konflikte auf Nebenschauplätzen ausgetragen werden. Etwas, das ich aus meiner Vergangenheit auch kenne. Und solange der wahre Kern nicht gefunden ist, wird es keine Lösung geben, sondern Wiederholungen des schon oft Gesagten und Erhöhungen der Frustration.
Ich mag diesen Klärungsprozess, das Prüfen und Sortieren, das Zusammenfassen und Priorisieren der Themen. Alles, was zum intellektuellen Verständnis gehört, wird erarbeitet und schon in dieser frühen Phase der Mediation, in der noch rein gar nichts gelöst ist, erleben die Parteien immer wieder Aha-Effekte. Für mich ist es so schön mitzuerleben, wie sich die Stimmung der Parteien verändert, wie die Anspannung von ihnen abfällt und einer Neugier auf die Zukunft Platz macht. Auch anfänglich skeptische Medianden verringern ihren Widerstand und beteiligen sich aktiver am Prozess.
Mediationen führen zum emotionalen Verständnis der Gegenpartei
Oft werden Emotionen im Alltag und auch bei Auseinandersetzungen versteckt. Kränkungen oder enttäuschte Erwartungen werden ‚geschluckt‘, oder man redet sich ein, soooo schlimm wäre es ja nicht gewesen oder der Andere sei derzeit aus diesem oder jenem Grund momentan gestresster als sonst. Doch die Verletzungen sind da und sie summieren sich.
Bei Mediationen dürfen und sollen die Emotionen zum Vorschein kommen und immer wieder fließen Tränen. Emotionale Ausbrüche, besonders Weinen, sind für alle Anwesenden ein bewegender Moment. Ich als Mediatorin habe den Rahmen geschaffen und sehe einen großen Vertrauensbeweis darin, dass sich die Partei ganz öffnet. Ich bin glücklich, wenn das passiert. Und für die Parteien ist dies ein wichtiger Schritt.
Die Wirkung von Tränen ist nicht zu unterschätzen. Zum einen auf die weinende Partei selbst. Tränen sind das Eingeständnis vor sich selbst, wie tief die Kränkungen oder unerfüllte Wünsche sitzen, und die Botschaft ans Gegenüber ‚das haben deine Kränkungen oder dein Verhalten bei mir angerichtet‘. Zudem äußert manchmal der Weinende Sätze, die die anderen noch nie gehört haben. Das sind zentrale Punkte, die zum Fortschritt und dem Gelingen der Mediation beitragen.
Zum anderen wirken die Tränen auf die Gegenparteien. Betroffen erleben sie, wie sehr eine Partei unter einem Konflikt leidet, und das häufig zum ersten Mal. Keine Gegenpartei bleibt unberührt, wenn sich eine gestandene Person, die sie immer als stark erlebt hat, in Tränen auflöst. Dann fallen Sätze wie „Wenn ich gewusst hätte, wie sehr dich das gekränkt hat“, „Das hast du mir noch nie gesagt“, „Davon hatte ich keine Ahnung“.
Wenn es dann noch gelingt, die wahren Beweggründe für das Verhalten zu erhellen und die Gegenpartei sie auch emotional nachvollziehen kann, dann ist das der Moment, in dem die alte Wut verraucht. Erst in dieser Phase vorgebrachte Bitten um Entschuldigung kann der Gekränkte annehmen und die Kränkungen wirklich verzeihen. Kann – muss aber nicht. Manchmal verzeihen Gekränkte nicht, trotzdem wird der Rucksack aus alten Verletzungen kleiner und ich weiß, dass sich die Parteien künftig auf einer anderen Ebene begegnen und eine tiefere Beziehung zueinander eingehen können. Das macht mich glücklich.
Die Parteien erlangen bei Mediationen Zuversicht
Anfangs ist alles ein Kuddelmuddel von Streitpunkten und Gefühlen, alle sehen sich im Recht, keiner will so richtig nachgeben, und die Lösung wäre so einfach, wenn sie nur der Andere endlich begreifen würde. Aber die Parteien stecken in der Situation fest.
Im Lauf der Zeit lernen die Medianten, dass sie Thema für Thema wirklich gehört und verstanden werden. Sie können tragfähige Vereinbarungen treffen, obwohl sie manche früheren Handlungen des Gegenübers zwar nachvollziehen, aber nicht akzeptieren oder gar gutheißen können.
Und diese Erfahrung bewirkt bei den Parteien mehr eigene Ruhe und die Zuversicht wächst, dass sie gemeinsam kreative Lösungen finden, mit der alle einverstanden sind. Nun gibt es wieder eine Perspektive auf eine friedliche Zukunft, denn sie, die Medianten selber, gestalten sie aus.
Der Ehrlichkeit halber ist zu sagen, dass manche Mediationen zu Beziehungsabbrüchen der Parteien oder zu Trennungen von Bereichen oder Zuständigkeiten führen. Doch auch in diesen Fällen brauchen die Parteien Vereinbarungen über die Verteilung von Gütern oder Vermögen und sie gewinnen eine Perspektive auf eine angenehme Zukunft, wenn auch in einer anderen Konstellation als ursprünglich gedacht.
Für mich ist es beglückend, wenn ich beobachte, wie Menschen aus der Perspektivlosigkeit herausfinden und zuversichtlich in die Zukunft blicken.
Mediationen führen zu Verbindlichkeit
Damit Lösungen nicht vergessen oder umgedeutet werden können, werden die erarbeiteten Absprachen schriftlich fixiert. Pro Thema wird aufgeführt, was wer wie zu tun oder zu lassen hat, und was passieren wird, wenn jemand dagegen verstößt. Zuletzt unterschreiben die Parteien diese Abschlussvereinbarung. Dieser Moment ist fast feierlich und auf den Mienen der Unterzeichner spiegelt sich ein schneller Wechsel aus Ernst und Fröhlichkeit, aus Aufregung und Zuversicht. Eine Mediation endet und für die Medianden beginnt ein neuer Abschnitt – und ich habe sie bis zu diesem Punkt begleiten dürfen! Ich genieße den Moment, wenn ich anfänglich konfrontative Personen befriedet in eine entspannte Zukunft entlasse.
Die Parteien erlangen bei Mediationen höhere Konfliktkompetenzen
Im Lauf der Sitzungen erlernen die Parteien, wie sie sich mittels Gewaltfreier Kommunikation (GFK) klar ausdrücken können, ohne den Anderen abzuwerten oder zu kränken. Zusätzlich erweitern die Medianten oft ihren Wortschatz, mit dem sie ihre verschiedenen Bedürfnisse jetzt benennen können. En passant wenden die Parteien ihr neues Wissen immer häufiger an, von Sitzung zu Sitzung muss ich weniger bei Formulierungen helfen. Das ist einfach klasse, denn somit konzentrieren sich die Parteien immer weniger darauf, wie sie etwas sagen sollen, und immer mehr darauf, was sie sagen möchten.
Sie erleben, dass ihr verändertes Reaktionsmuster zu konstruktiven Auseinandersetzungen führt, dass es wirklich funktioniert. Und das können sie in allen Situationen anwenden: Noch während der Mediation, mit der Gegenpartei nach der Mediation, in Konflikten mit der Familie, am Arbeitsplatz, mit Fremden. Es funktioniert immer.
Dadurch dass die ehemaligen Parteien ihre konstruktive Herangehensweise bei Menschen anwenden, die nicht in der Mediation waren, potenziert sich der Kreis, der kompetent mit Konflikten umgehen kann. Je häufiger Auseinandersetzungen beendet werden, desto angenehmer ist die Welt für alle.
Die Parteien gewinnen bei Mediationen mehr Selbstvertrauen
Manche Parteien halten sich generell lieber im Hintergrund. Das kann daran liegen, dass sie sich als weniger kompetent oder als unwichtiger einschätzen. Am häufigsten entstehen solche Disbalancen in Partnerschaften, in der einer deutlich mehr verdient als der andere, oder in der Zuständigkeiten für wichtige Bereiche klar getrennt sind.
An einer Mediation müssen sich aber alle gleichermaßen beteiligen. Wenn eine zurückhaltende Partei lernt, dass sie sehr wohl in der Lage ist, sich umfassend über eine Thematik wie zum Beispiel Geldanlagen zu informieren und sie zu verstehen, wächst ihr Selbstvertrauen enorm. Denn diese Partei hängt nicht länger von der anderen ab, sondern stellt einen kompetenten Partner dar, der dem anderen auf Augenhöhe begegnet. Im Gegenzug lastet auf dem vormals alleine zuständigen Partner viel weniger Verantwortung.
Das Wachsen auf einem Gebiet kann motivieren, auch auf anderen wachsen zu wollen. Und dieser Fall tritt auch immer wieder ein. Ich liebe es einfach zu beobachten, wie Parteien Zug um Zug Disbalancen austarieren und sich gegenseitig unterstützen statt Eigenverantwortung abzugeben.