Der vorliegende Artikel erklärt anhand zweier beispielhafter Sätze, die einen Ehestreit auslösen, das Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun mit seinen 4 Ebenen (Botschaften) und verdeutlicht Schritt für Schritt, was der Satz des Sprechers beim Angesprochenem an Gedanken und Gefühlen auslöst und ihn zu seiner Reaktion, zu seiner ausgesprochenen Antwort, führt.
Es folgen Überblicke, wann eine ausführliche Reflexion von Äußerungen, die starke negative Emotionen hervorrufen, empfehlenswert ist, und welche positive Wirkungen die Reflexion auf die Beziehung zwischen Sprecher und Angesprochenem haben.
Streit aus heiterem Himmel
Jedes Paar kennt eine Situation, in der man eben noch plaudert und lacht. Dann fällt ein einziger Satz, der eine heftige Reaktion auslöst. Die Stimmung ist dahin, man rutscht betreten auf seinem Platz herum und fragt sich, was eigentlich passiert ist.
Schauen wir hierzu ein konkretes Beispiel an. Ehefrau, Ehemann, Bruder sitzen an der Kaffeetafel. Die Ehefrau erzählt auf Bitte des Bruders von ihren Geburtstagsgeschenken. Sie sagt: „Ich habe von Freunden und meinem Mann Bücher bekommen.“ Der Ehemann braust auf: „Bücher? Hast du den Titel von meinem vergessen? “ Sofort bricht ein Streit darüber aus, gespickt mit Vorwürfen und Rechtfertigungen. Betrachten wir die beiden auslösenden Sätze etwas genauer. Sehen wir uns an, was sie alles an Gesagtem und Ungesagtem transportieren, und vor allem, worin die Missverständnisse zwischen den Eheleuten bestehen. Das Standardmodell zu deren Analyse ist das Kommunikationsquadrat (KQ) nach Schulz von Thun.
Kommunikationsquadrat (KQ) nach Schulz von Thun
Was das Kommunikationsquadrat (KQ) nach Schulz von Thun ist
Jeder ausgesprochene Satz besitzt immer 4 gleichwertige Seiten (Kanäle, Ebenen, Dimensionen, Botschaften).
- Sachinhalt
- Selbstkundgabe
- Beziehung zwischen Sprecher und Adressat
- Appell
In Bezug auf den Sprecher heißt das ‚Was ich sage und was es bedeutet‘:
- Worüber ich informiere
- Was das über mich sagt
- Was ich von dir halte und / oder wie wir zueinander stehen
- Wozu ich dich veranlassen möchte
In Bezug auf den Angesprochenen heißt das ‚Was ich höre und wie ich es einschätze‘:
- Wie ist das zu verstehen?
- Was ist das für einer? Was ist mit ihm?
- Wie redet er mit mir? Wen glaubt er vor sich zu haben?
- Was soll ich aufgrund dieser Mitteilung tun, denken fühlen?
Grundsätzlich bevorzugt jeder Mensch beim Sprechen und Hören eine der vier Ebenen, die nicht identisch sein brauchen. So kann jemand z.B. vorwiegend auf der Ebene der Selbstkundgabe sprechen und vorwiegend auf der Appell-Ebene hören. Prinzipiell sind alle Kombinationen möglich.
Je nach Charakter und Stimmung und Situation einer Person unterscheiden sich die Bedeutungen der unausgesprochenen Ebenen. Der Einfachheit halber habe ich für die Beispiele je eine denkbare Variante gewählt.
Wie man das Kommunikationsquadrat (KQ) anwendet
Ehefrau sagt und meint:
- Ich habe von Freunden und meinem Mann Bücher bekommen.
- Ich fasse zusammen.
- Ich will dich nicht mit Aufzählungen langweilen.
- Hör mir weiter zu.
Ehemann hört / interpretiert:
- Ich habe von Freunden und meinem Mann Bücher bekommen.
- Das Geschenk meines Mannes interessiert mich nicht besonders.
- Er gibt sich mit Geschenken für mich wenig Mühe.
- Streng dich künftig mehr an.
In drei unausgesprochenen Dimensionen versteht der Mann seine Frau anders, als sie es gemeint hat. Seine Interpretation hat nichts mit dem zu tun, was seine Frau gemeint hat. Ein einziger gesprochener Satz löst drei Missverständnisse aus.
Die Antwort des Ehemanns fußt auf drei Vorgängen:
- Ich nehme etwas wahr (Worte / Mimik / Tonfall)
- Ich interpretiere das Wahrgenommene
- Meine Interpretation erzeugt ein Gefühl
Aus dem Gefühl heraus, das der Zuhörer selbst erzeugt hat, einer Wut über die Missachtung seiner Anstrengungen, formuliert er!
Ehemann antwortet:
- Bücher? Hast du den Titel von meinem vergessen?
- Ich bin sehr gekränkt.
- Mein Geschenk bedeutet dir nichts.
- Würdige meine Mühe beim Aussuchen des Geschenks.
Das Beispiel verdeutlicht die komplexen Prozesse, die immer so ablaufen, ob sie uns bewusst sind oder nicht. Und bei Gesprochenem schwingt immer die dreifache Menge an Unausgesprochenem mit!
Wann empfiehlt sich die Anwendung des KQ auf den eigenen Streit?
Im Alltag wäre es unmöglich, sich bei jeder Äußerung die oben beschriebenen Gedanken zu machen und jede Dimension zu hinterfragen.
Dagegen lohnt sich ein ausführlicher Blick auf einen Satz, wenn er
- Unbehagen oder eine andere starke, negative Emotion hervorruft.
- sich Dialoge über wichtige Dinge wiederholen.
- einen Streit auslöst
- von einer Person stammt, die für Sie wichtig ist
Ungesagtes wirkt – und das lange Zeit. Man merkt sich nicht die Worte, aber ein Gefühl setzt sich fest.
Wie profitieren Menschen vom KQ?
Wie das KQ Sie aus dem Streitkarussell holt
Sobald Paare ihre Streits mit dem KQ betrachten, tritt eine entscheidende Veränderung ein, der Fokus verschiebt sich von Schuld und Rechtfertigung auf Verstehen. Das erzeugt Abstand zum Streit und Nähe zueinander. Nicht, weil plötzlich alles leicht ist, sondern, weil sie sich gegenseitig wirklich zuhören.
Fragen Sie nach, was auf der Selbstkundgabe-, Beziehungs- und Appell-Ebene alles gemeint war. Erläutern Sie sachlich, wie Sie das Gesagte Ihres Gegenübers in den einzelnen Dimensionen interpretiert haben und was es bei Ihnen ausgelöst hat. Es ist recht wahrscheinlich, dass Sie großes Erstaunen ernten und den Ausruf: „So habe ich das überhaupt nicht gemeint!“
Wie das KQ zu gegenseitigem Verständnis führt
Ein Gespräch über Gesagtes, Gemeintes, Gehörtes verhilft zu besserem Verständnis. In erster Linie natürlich bei dem Sachverhalt, der Anlass für die Nachfrage war. Was war wirklich gemeint? Was ist dem anderen daran wichtig? Und vermutlich bekommen Sie selbst ganz nebenbei einen schärferen Blick auf Ihre eigene Haltung zum Thema.
In zweiter Linie identifizieren Sie mit der Zeit die Lieblings-Dimensionen beim Sprechen und Hören von Ihnen beiden. Und je öfter Sie bei unterschiedlichen Anlässen Sätze hinterfragen, desto besser lernen Sie Ihre Muster kennen, mit denen Sie diese Dimensionen ausfüllen. Sind Sie dem Anderen eher positiv eingestellt oder eher misstrauisch? Womit füllt Ihr Dialogpartner die Dimensionen?
Wie das KQ zwischenmenschliche Beziehungen stärkt und erweitert
Mit Ihren Nachfragen beweisen Sie ihrem Gegenüber, dass Ihnen eine gute, unbelastete Beziehung zu ihm wichtig ist. So wie Sie ihm vertrauen, dass Sie offen sprechen können, kann der Andere Ihnen vertrauen. Zudem ermutigen Sie Ihren Dialogpartner, selbst die Initiative zu ergreifen, wenn ihm eine Äußerung Unbehagen oder Irritationen bereitet.
Durch Aussprechen des Unausgesprochenen werden Sie neue Seiten des Anderen kennenlernen, Ihrer Beziehung eventuell sogar neue Impulse geben. Ganz sicher werden Sie Ihre Beziehungen gelassener und offener leben.
Wenn Sie Lust bekommen haben, das Quadrat auf Ihre spezifische Situation anzuwenden, führt Sie mein Blogartikel ‚Anleitung zur Anwendung des Kommunikationsquadrats und Checkliste‘ Schritt für Schritt durch den Prozess. Anhand der zugehörigen Checkliste können Sie Ihre Ergebnisse überprüfen.
Fazit
Das Modell Kommunikationsquadrat beschreibt alle Dimensionen, die zu einer Äußerung gehören, und wie sie wirken. Es ist ein gut funktionierendes Instrument, mit dem Dialogpartner zu tieferem Verständnis füreinander gelangen und ihre Beziehung nachhaltig stärken können. Je geübter die Konfliktparteien darin sind, desto schneller beenden sie die Auseinandersetzungen und desto friedlicher leben sie ihre Beziehung.